Sport in den USA – Überblick über die Besonderheiten der amerikanischen Sportkultur

Amerika, wohl nirgendwo weltweit spielt der Sport so eine bedeutende Rolle wie hier. In diesem Blogeintrag möchte ich das amerikanische Sportsystem ein wenig vorstellen. Es unterscheidet sich in einigen Aspekten wesentlich vom europäischen Modell. Ich werde mich dabei überwiegend auf die beliebtesten Sportarten American Football, Basketball, Eishockey und Baseball konzentrieren. Es soll aber auch kurz der Frage nachgegangen werden, warum Fußball in Nordamerika in Relation zu den Hauptsportarten (noch) so eine untergeordnete Rolle spielt. Abschließend möchte ich die Bedeutung des amerikanischen College-Sports näher erläutern.

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New York Yankee Stadium  / Quelle: Flickr – John Dalton

Die Sportkultur der USA

Die Nordamerikaner verfügen über eine ganz besondere Sportkultur. Sie ist nahezu mit keiner anderen zu vergleichen. American Football, Baseball, Basketball und Eishockey gehören zu den Sportarten mit der größten Bedeutung und Tradition in Amerika. Charakteristisch für die Sportkultur ist, dass sie sehr nach innen gerichtet ist. An erster Stelle des Interesses stehen unangefochten die heimischen Ligen NFL (American Football), NBA (Basketball), NHL (Eishockey) und die MLB (Baseball). In den traditionellen amerikanischen Sportarten Baseball und American Football beispielsweise gibt es nahezu keine relevanten internationalen Vergleiche zwischen den USA und anderen Ländern. Anders als in Europa hält sich in den Staaten das Interesse an internationalen Turnieren und Vergleichen eher in Grenzen (Ausnahme Olympische Spiele). Eishockey- und Football-Weltmeisterschaften wurden in der Vergangenheit regelmäßig mit College-Auswahlen beschickt.

Was die Organisation des Sports betrifft, haben sich die Amerikaner ein besonderes Modell ausgedacht. Anders als in Europa handelt es sich hier um geschlossene Ligen ohne Auf- und Abstieg. Für die Besetzung der Profiligen ist der jeweilige Ligaverband zuständig, der die Lizenzen an interessierte Franchises vergibt. Diese Franchises gehören sehr oft Privaten und werden von der Liga als Wirtschaftsunternehmen betrachtet bzw. behandelt. Ausschlaggebend für die Aufnahme in das Ligasystem sind u.a. die Größe der Stadt bzw. Agglomeration, Größe des Fernsehmarktes, die wirtschaftliche Stärke der Region sowie die Entfernung zu anderen Franchises. Diese Franchises können jederzeit den Besitzer und/oder den Standort wechseln. In den letzten Jahren kam es im amerikanischen Sport zu einzelnen Standortwechseln. Als prominentes Beispiel in der NBA sind die Seattle SuperSonics, die nach Oklahoma übersiedelten, zu nennen. Uneinigkeiten zwischen dem Klub und dem Bundesstaat Seattle haben zu diesem Umzug/Verkauf geführt. Der Bundesstaat wollte nämlich nicht für die Finanzierung des Umbaus der Sportarena aufkommen.

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Michigan Stadium (Ann Arbor) – NHL Winter Classic 2014   / Quelle: Wikimedia – Matthew Barera

Was die Amerikaner besonders gut können, ist es ihre Sportevents perfekt zu inszenieren. Die Fans sind sehr begeisterungsfähig und machen die Sportereignisse zu einem besonderen Erlebnis. Im Jänner 2014 fand in Michigan das bisher bestbesuchte Eishockey-Freiluftspiel der Geschichte mit über 105.000 Zuschauern statt (siehe Bild oben). Das Spiel fand unter freiem Himmel statt. Die hohe Zuschauerzahl ist sehr beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Temperaturen während des Spieles 10 Grad unter dem Gefrierpunkt waren und die Partie phasenweise vor nicht unwesentlichem Schneefall stattgefunden hat. Zur Thematik der unüberdachten Stadioninfrastrukturen in den USA habe ich im Oktober 2013 einen Beitrag verfasst (Stadien in den USA – Eigenheiten beim Stadienbau). Das absolute Highlight unter den Sportveranstaltungen bildet aber der alljährliche Superbowl. Diese Veranstaltung ist der krönende Abschluss der NFL-Saison und findet weit über die amerikanischen Grenzen hinaus große Beachtung. Das ganze Rundherum mit Halftimeshow, Inszenierung und natürlich die herausragenden sportlichen Leistungen der Athleten machen das Event zu einem absoluten Premiumprodukt.

Eine weitere besondere Eigenheit der amerikanischen Sportkultur ist die hohe Anzahl an Spielen in einer Saison. Abgesehen von der NFL gibt es für die Mannschaften der vier Topligen sehr viele Spiele in einer Saison zu absolvieren. Besonders die Baseballer haben ein enormes Pensum zu bewältigen. In der MLB-Saison 2014 (März bis Oktober) musste beispielsweise der World Series Champion, die San Francisco Giants, unfassbare 179 Spiele absolvieren (162 in der Regular Season plus 17 in der Post Season). Es kann in einer MLB-Saison schon mal passieren, dass man gegen eine Mannschaft über 20 mal antreten muss. Unvorstellbar für einen Europäer, der sich zum Teil schon aufregt, wenn vier mal pro Saison gegen die selbe Mannschaft gespielt wird (z.B. in der österr. Bundesliga). Im Basketball musste der NBA Champion der Saison 2013/2014, die San Antonio Spurs, 105 Partien absolvieren (82 Regular Season + 23 Play Offs) und für den Stanley Cup Sieger, die Los Angeles Kings, waren es 108 (82 Regular + 26 POs). Die hohe Anzahl der zu bewältigenden Spiele ist naturgemäß mit hohen Reisestrapazen für die Spieler verbunden und stellt für die Liga und Vereine eine logistische Herausforderung dar.

Stellung der Sportarten

Die wohl traditionsreichste US-amerikanische Sportart ist Baseball. Man kann hier vom ersten wirklichen Nationalsport der USA („National Pastime“) sprechen. Der Baseballsport hat bei der Herausbildung der amerikanischen Identität einen enormen Einfluss ausgeübt. Erstaunlich in diesem Zusammenhang, dass die Sportart nur in wenigen Regionen der Welt (z.B. in Teilen von Mittel- und Lateinamerika, Japan) einen ähnlich hohen Stellenwert besitzt. Dies spiegelt sich auch sehr stark bei den Nationalitäten der MLB wider. Abgesehen von den Mittel- und Lateinamerikanern stellen die US-Amerikaner die große Mehrheit (über 70%) der Profispieler. Es ist seit geraumer Zeit zu beobachten, dass der Sport langsam aber sicher an Bedeutung einbüßt. Der Sport, der die Langsamkeit verkörpert, tut sich zunehmend schwerer junge Menschen zu erreichen. Baseball verliert dadurch kontinuierlich Anhänger an schnellere Sportarten wie Basketball oder American Football. „Baseball ist eine Sportart für Menschen mit viel Zeit[…] Baseball raubt die Zeit des Zuschauers, weil er ein Sport ohne Uhr ist. Wie lange ein Spiel dauert, kann man nicht vorhersagen, es können zweieinhalb Stunden sein oder fünf. Wenn eine Partie bis nach Mitternacht läuft, schließt das viele Zuschauer aus, vor allem Jugendliche“ (Zeit Online, 30.Oktober 2013).

Aufgrund dieser Faktoren ist inzwischen American Football zur beliebtesten Sportart in den USA aufgestiegen. Auch der Basketballsport konnte von dieser Entwicklung profitieren, welcher in der Rassenfrage eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle einnimmt. Im Vergleich zu Baseball hat sich Basketball zu einer international bedeutsamen Sportart entwickelt. Derzeit spielen mehr als 100 Spieler aus rund 40 Nationen in der besten Basketballliga der Welt. Der Eishockeysport ist, was das Interesse betrifft, die vierte Kraft in den USA. Der Lieblingssport der Kanadier ist auch in den USA ein wichtiger Teil der sportkulturellen Geschichte. Besonders die Aufeinandertreffen gegen die Sowjetunion, Stichwort Kalter Krieg, haben eine herausragende Stellung im kollektiven Identitätsbewusstseins hinterlassen. Bei den Olympischen Spielen 1980 in Lake Placid konnten die US-Amerikaner gegen die damals als unschlagbar geltende Sowjetunion überraschend die Goldmedaille gewinnen. Dieser Sieg ist als „Miracle on Ice“ in die Geschichte eingegangen.

Nun möchte ich noch ein paar Worte über die Stellung des Fußballs in den Vereinigten Staaten verlieren. Soccer, wie der Fußball in den USA genannt wird, konnte bis heute nie die Popularität der vier angesprochenen Sportarten erreichen. Gründe dafür gibt es einige (Organisation und Struktur, Einwanderersport (britischer Sport), Sport für Frauen und Kinder, wenige Erfolge der Nationalmannschaft, eine nicht gerade attraktive MLS und der geringe Einfluss auf die Identitätsbildung). Auch die unzureichende Einbindung in das College-System spielt eine Rolle. Seit der Fußball-Weltmeisterschaft 1994 auf heimischen Boden ist jedoch ein Aufwärtstrend erkennbar, der Sport wurde allmählich populärer. Heute zählt Soccer zu den beliebtesten Beschäftigungen der amerikanischen Kinder und Jugendlichen. Auch die wachsende Anzahl an Latino-Amerikanern, die traditionell sehr fußballbegeistert sind, trägt zum Aufschwung des Fußballs bei.

Der College-Sport

Zu guter Letzt kommen wir nun zum College-Sport, welcher in den USA einen enorm hohen Stellenwert einnimmt. In Anbetracht dessen erstaunlich, dass es sich hier lediglich um Universitätssport mit ambitionierten Sportstudenten handelt. Kaum ein Bildungssystem der Welt schafft es derart Studium und Leistungssport auf diese Art und Weise zusammenzuführen. Neben Football, Basketball, Eishockey und Baseball werden an den Colleges auch viele andere Sportarten angeboten. Das Interesse der Amerikaner an diversen College-Ereignissen ist ungebrochen. Dieses Phänomen lässt sich schön im Zuge der alljährlichen March Madness beobachten. Millionen von Amerikanern verfolgen per TV, Smartphone, Tablets, PC und natürlich auch vor Ort die Spiele der nationalen Hochschulmeisterschaft im Basketball. Am Turnier, welches von Mitte März bis Anfang April stattfindet, nehmen insgesamt 68 College-Teams teil. Dabei wird den Zuschauern Sport auf hohem Niveau geboten. Das College-System bildet damit das Fundament für die vier großen Profiligen. In den zahlreichen Colleges werden eine Vielzahl an Profisportlern ausgebildet, die später in den vier Topligen Fuß fassen. Für die College-Studenten warten täglich mehrere Stunden an Training in einem professionellen Umfeld mit hochbezahlten Trainern und Betreuern. Dabei kann es schon vorkommen, dass die schulische Ausbildung bei einigen in den Hintergrund tritt. Die talentiertesten Spieler werden, was die schulischen Leistungen betrifft, vielerorts bevorzugt, da sie den Unis beträchtliches Geld einbringen. Es gilt, wenn ein College sportlich erfolgreich ist, kann sie mit mehr Spenden und Studenten rechnen, die Gebühren bis in den fünfstelligen Bereich zahlen.

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Beaver Stadium – Penn State vs Kent State / Quelle: Flickr – steve eng

Noch mehr Faszination geht jedoch vom College-Football aus. Die Spiele der besten College-Mannschaften werden im US-Fernsehen übertragen und finden zum Teil vor mehr als 100.000 Zuschauern statt. 2014 verfügten acht Colleges über Stadien mit einer Zuschauerkapazität von über 100.000. Vor allem in Gegenden wo es keine Profiteams gibt, steht die Bevölkerung in eindrucksvoller Manier hinter ihren Universitätsmannschaften. Das Zuschauerinteresse im College-Bereich ist deshalb so hoch, weil die Identifikation mit den Teams oftmals höher ist als in den Profiligen, wo Franchises jederzeit an andere Unternehmer und Private verkauft werden können oder gar den Standort wechseln. Der besondere Charme am College-Sport ist zudem, dass nicht nur aktuelle und ehemalige Studenten und dessen Angehörige zu den Spielen pilgern sondern durch die regionale Verwurzelung der Unis auch die ansässige Bevölkerung. Darüber hinaus stammen viele Spieler aus der Region und dienen daher als wichtige Identifikationsfiguren. Kernregionen des College Football sind traditionell die Region um die großen Seen (Michigan, Wisconsin, Illinois, Ohio) sowie der Südosten der USA. Universitäten wie Michigan, Penn State oder Ohio State im Norden und Alabama, Lousiana State oder Georgia im Süden sind in ihren Märkten quasi konkurrenzlos und dominieren die sportlichen Schlagzeilen. Besonders beeindruckend ist die Kulisse im Beaver Stadium, der Heimat der Penn State Nittany Lions (siehe Bild oben). Rund 100.000 in weiß bekleidete Besucher machen die Spiele der Lions zu einem besonderen Erlebnis und sorgen für eine einzigartige Atmosphäre.